Immobilienkonzern Vonovia Schmiergeld mit System?
Im Skandal um Vonovia besteht nach Recherchen von WDR und SZ der Verdacht, dass dort über Jahre eine kriminelle Bande agierte. Zwei Vonovia-Mitarbeiter sollen zusammen Zuwendungen im Wert von rund einer halben Million Euro kassiert haben.
Die ersten Hinweise haben die Staatsanwaltschaft Bochum im Winter 2021 erreicht. Ein anonymes Schreiben setzte die Fahnder auf die Spur bei Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia. Je mehr die Ermittler herausbekamen, desto mehr zeigte sich das Bild eines mutmaßlichen Schmiergeldsystems, das inmitten des Dax-Konzerns über Jahre agiert haben soll. Nach Recherchen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) besteht der Verdacht, dass sich in dem Wohnungskonzern eine kriminelle Bande gebildet hat. Bei der Razzia am Dienstag nahm die Polizei vier Beschuldigte in Untersuchungshaft.
Im Fokus der Ermittlungen stehen nach Informationen von WDR und SZ zwei Vonovia-Mitarbeiter aus dem mittleren Management, die seit 2011 Zuwendungen im Wert von zusammen rund einer halben Million Euro angenommen haben sollen. Im Gegenzug sollen sie Bau- und Handwerksfirmen Aufträge in Millionenhöhe zugeschanzt haben.
Neben Bargeld sollen die Beschuldigten auch für Sachleistungen empfänglich gewesen sein. Mal ein Gasgrill, mal eine Solaranlage, mal die Rechnung vom Baumarkt oder für den Gärtner. Die beauftragten Unternehmen ihrerseits stehen in Verdacht, die Vonovia-Mitarbeiter bestochen und mit überhöhten Preisen vom mutmaßlichen Korruptionssystem profitiert zu haben. Ein Gebäudetechnik-Unternehmen soll mittels Scheinrechnungen Leistungen abgerechnet haben, die es gar nicht erst erbracht hat.
Zahlreiche Spuren
Insgesamt ermitteln Staatsanwaltschaft Bochum, das Landeskriminalamt in Düsseldorf sowie mehrere Finanzbehörden gegen mehr als 20 Beschuldigte. Die Zahl könnte im Laufe der Ermittlungen noch deutlich steigen. Man gehe zahlreichen Spuren nach, heißt es aus Behördenkreisen.
Nachdem die Fahnder am Dienstag in der Bochumer Vonovia-Zentrale anrückten, zeigte sich das Unternehmen alarmiert. Man sei selbst Geschädigte in dem Fall. Vorstandschef Rolf Buch erklärte: "Wir sind erschüttert. Offenbar haben sich einzelne Mitarbeiter bei unseren Tochterunternehmen zum Schaden von Vonovia bestechen lassen." Das sei "nicht akzeptabel."
Vonovia habe die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte mit einer unabhängigen Prüfung der Vorgänge beauftragt und bereits erste personelle Maßnahmen ergriffen. Der Dax-Konzern, der europaweit mehr als 549.000 Wohnungen mit einem Portfoliowert von fast 100 Milliarden Euro besitzt, steht unter Druck. Nachdem die Razzia am Dienstag bekannt wurde, gab der Aktienkurs um bis zu fünf Prozent nach.
Mehr als zehn Jahre unentdeckt
Das Management und der Aufsichtsrat werden sich der unangenehmen Frage stellen müssen, wie ein mutmaßliches Korruptionssystem mehr als zehn Jahre unentdeckt bleiben konnte. Schließlich hat sich der Konzern eines Compliance-Systems verschrieben. Regeln also, die genau solche Machenschaften und Gesetzesverstöße verhindern sollen. Vonovia erklärt auf Anfrage, das Compliance-System sei "absolut State-of-the-Art" und werde regelmäßig geprüft. "Aber auch das beste Compliance-System kann nicht verhindern, dass Menschen mit krimineller Energie ein solches System unterlaufen."
Auch die Frage, ob Vonovia tatsächlich die einzige Geschädigte in dem Fall ist, ist laut Behördenkreisen noch zu ermitteln. Schließlich werden Modernisierungsmaßnahmen oftmals auf die Mieter umgelegt. Dass womöglich auch Vonovia-Mieter für überhöhte oder im schlimmsten Fall nicht erbrachte Leistungen zahlen mussten, kann der Konzern zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen.
"Es geht nach aktuellem Kenntnisstand um einen finanziellen Schaden, der zu Lasten von Vonovia als Auftraggeberin entstanden ist. Es geht um Leistungsverzeichnisse, die dem Unternehmen in Rechnung gestellt wurden, nicht den Mieterinnen und Mietern von Vonovia. Inwiefern es sich hier um Kostenpositionen handelt, die in den Folgeprozessen auch in Teilen weiterverrechnet wurden, ist Gegenstand der Untersuchungen", erklärte eine Sprecherin.